Was ist «meine Beck»? Das ist der Ort, wo dem Volk mit einem Gratis-Lächeln kohlschwarz verbrannte Brote verkauft werden. Im Unterschied zu allen anderen Bäckereien, in denen man zwar für das Lächeln extra bezahlen muss, aber zumindest die Laibe rechtzeitig aus dem Ofen genommen werden. Aber die sind mit «Gutes besser in meiner Beck» (was immer das heissen soll) natürlich nicht gemeint.
«Die Beck»? Wer kommt denn auf so eine Idee? Der günstig eingekaufte deutsche Werbetexter, der sich in massloser Selbstüberschätzung auch Schweizerdeutsch zutraut? Der backofenhitzegeschädigte Bäcker, der sich als irgendjemandem seine Beck betitelt? Der Halbfabrikate-Händler Pistor, der diese Kampagne seinen Kunden, also den Bäckereien schenkt, inklusive Publikumswettbewerb und von Profi-Fotografen geknipste «Selfies»? Es geht um etwas ganz anderes. Das erfahre ich dann auf meinebeck.ch. Es handle sich um eine «Freundlichkeitskampagne», mit der sich Pistor im Namen des Bäckerei-, Konditorei- und Confiseriegewerbes bei den endkonsumierenden Brotkäufern für ihre Treue bedanke, steht da. Echt jetzt! Genau wie die Schweineburger-Kampagne von MacDonalds auch dafür da ist, den Schweineburger-Essern für ihre Fleischvorliebe zu danken. Und die Hardselling-Inserate vom Mediamarkt eigentlich als reine Danksagung an die USB-Kabelkäufer dieser Welt gedacht sind. Auf der seiner eigenen Website stellt Grosshändler Pistor dann aber klar: Nöö, eigentlich ist die Kampagne gar kein Treuedankgeschenk für den Pöbel. Sondern für die Pistor-Kunden. Also die Bäckereien. Mit der impliziten Aufforderung, ab sofort dauerzulächeln. Dafür gibts noch 4 Millionen Rubbellose drauf. Voraussichtlich, wie gleich vorsichtig relativiert wird. Fassen wir also zusammen. Erstens: Die Kampagne ist sprachlich so verunglückt, dass umsatzunwirksames Fremdschämen die einzige Reaktion darauf sein kann. Zweitens: Ungefiltertes Marketing-Geschwurbel ist eigentlich nur für interne Ohren bestimmt. Aber auf seiner Website droht der Herr meinebeck.ch seinem Publikum doch tatsächlich einen «Mehrwert» an: «Als besonderer Mehrwert erwartet Sie ein gratis Lächeln». Lächelndes Personal ist nun mal das Selbstverständlichste, was ich in einem Ladengeschäft erwarte. Bleibt das Rubbellos als «Mehrwert». Und das stellt in aller Regel keinen Mehrwert dar, sondern entpuppt sich meist als wertlose Niete. Geschenkt! Und drittens geht es dabei darum, als unbekannter, versteckter und nur durch Recherche eruierbarer Absender allen danke zu sagen, die das hören wollen. Aber so, dass es möglichst niemand merkt. Bitte. Gern geschehen. Nichts zu danken.
2 Kommentare
BBDO Berlin hat zum Jubiläum «25 Jahre ICE der deutschen Bahn» einen starken Spot produziert. Und meiner Meinung nach so ziemlich alles richtig gemacht, was man richtig machen kann.
Erstens: Ein guter Spot ist kurz – aber darf auch einmal länger sein als 30 Sekunden. Obwohl so ein Anderthalbminüter schnell auch ein paar Längen aufweisen kann. Wenn man erstens eine gute tragende Idee und genug zu erzählen hat, darf man sich die Zeit dafür auch nehmen. Zweitens: Ein guter Spot muss eine gute Story erzählen. Und die heisst nicht: «Kauf mich! Jetzt aber sofort!». Sondern: «Schau mal. Ich hab’ dir etwas zu erzählen.» Natürlich ist das Produkt Teil der Geschichte. Aber es sollte dem Publikum nicht waschmittelmässig penetrant um die Ohren geschlagen werden. Denn Werbung anschauen ist freiwillig. Und darf deshalb auf keinen Fall Grund für die Pinkelpause liefern. Drittens: Ein guter Spot muss Emotionen transportieren. Viertens: Ein guter Spot darf auch gesellschaftlich relevante Themen aufgreifen. Auch wenn er damit allenfalls polarisiert. Fünftens: Ein guter Spot lebt nicht zuletzt von guter Musik. Sechstens: Ein guter Spot muss dramaturgisch auf den überraschenden, starken Schluss zugespitzt sein. Alles erfüllt. Chapeau. Grosses Kino auf meinem Handy. Anmerkung: Der erste Link scheint nicht mehr zu funktionieren. Vielleicht geht es mit diesem hier: https://www.youtube.com/watch?v=_qpo0_dNang |
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